Mike Phillips (Plymouth/UK)

Spectre

Eröffnung: 26.01.2012, 19:00 Uhr, Künstler ist anwesend
Ausstellungsdauer: 27.01.2012 - 18.03.2012
Öffnungszeiten: 10:00 - 22:00 Uhr
Ort: Schauraum Angewandte - quartier 21 im MQ, Museumsplatz 1, A-1070 Wien

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Fotocredits: Atomic Force Microscope Spectral Trace of Schwaiger. © Mike Phillips, 2012

spectre [ˈspɛktə/]

  1. Sichtbarer, körperloser Geist; Erscheinung; Phantasma; Hirngespinst; Phantom.

  2. Vorstellungsbild einer Entität des Terrors oder Tods: the spectre of death…

[C17: Vom lat. spectrum; wortwörtlich Bild, Erscheinung; von specere ‚auf etwas schauen‘]

Spectre basiert auf einem gemeinsam mit Künstlern und Kollaborateuren entwickelten Portfolio von datengesteuerten Arbeiten und ‚Nano‘ Art, wie z.B. A Mote it is1 (Phillips, M. 2010) oder i-DAT´s Operating Systems.2 Diese Projekte untersuchen die Allgegenwart von Daten in einer instrumentierten Welt und ihr Potential als Material für die Manifestation von Dingen, die außerhalb normativer Referenzrahmen liegen – Dinge so weit weg, so nah, so massiv, so klein und so unendlich. Diese digitalen Praxen verwenden alchemistische Prozesse, die eine Serie von Transformationen ermöglichen: Von Daten zum Code zur Erfahrung zum Verhalten.

Die Instrumente, die nunmehr das Sehen für uns übernommen haben, verwandeln ihre ‚Sehkraft‘ in Daten. Das Aufkommen digitaler bildgebender Verfahren, die uns den Zugang zu Photonen am Rand unseres Universums oder zu den atomaren Kräften verschaffen, die die Moleküle zusammenhalten, liefert uns ein vollkommen neues Vokabular für die Artikulation der Welt. Rasterkraftmikroskop, Rasterelektronenmikroskop, Röntgencomputertomografie und Radioteleskop enthüllen neue Dimensionen. Mit jeder neuen Dimension werden weitere Realitäten modelliert und weitere Wahrheiten vergegenwärtigt. Hamlet paraphrasierend befinden sich mehr Dinge zwischen Himmel und Erde, als unsere Medienphilosophie sich erträumen lässt.

A mote it is to trouble the mind's eye.”3A Mote it is… erkundet unser Verhältnis zu Technologien, die unser inneres Auge beschäftigen. Unsere Fähigkeit, den Maßstab vom kleinsten zum größten Ding zu wechseln, wurde als ‘transcalar imaginary’ umschrieben.4 Nachdem der Geist von Hamlet´s Vater zwar gesehen, ihm aber nicht geglaubt wird, erhebt sich die Frage, ob ihn nur das Sehen real macht - seine Existenz also vollkommen vom Wunsch abhängt, ihn zu sehen. Das Stäubchen oder Staubkorn im Auge des Betrachters führt sowohl die Illusion als auch die Überzeugung herbei, dass das was wir sehen real ist. Etwas aus den Augenwinkeln des inneren Auges, diese kleinen Flecken, vergrößert sich durch unseren Wunsch klarer zu sehen. Je genauer wir jedoch hinschauen, umso verschwommener wird unsere Wahrnehmung. ‘Mote’ ist sowohl Substantiv als auch Verb. Mittelenglisch mit indo-europäischen Wurzeln, seine frühchristlichen Ursprünge und freimaurerischen Übertöne beschreiben das kleinste mögliche Ding und statten es mit der Fähigkeit aus, etwas ins Dasein zu befördern (so mote it be...). Dieser duale Zustand von Werden und Sein (selbst wenn es unendlich klein ist) macht es zu einem mächtigen Talisman im Kontext der Nanotechnologie.

I-DAT’s Operating Systems5 Projekt war ursprünglich inspiriert von frühen Arbeiten zur Erforschung des Potentials räumlicher Aufnahmeereignisse, die in diesem Rahmen stattfanden. Arch-OS wurde als ‚Psychometrische‘ Architektur bezeichnet, die virale Infektion eines Gebäudes, das nachts wiedergibt, was sich tags über an Aktivitäten zugetragen hat. Eine Art von träumender Architektur. „Das Konzept von Objekten oder Orten, die anscheinend Ereignisse aufzeichnen, um sie dann für sensible Menschen wieder abzuspielen, wird generell als Psychometrie bezeichnet. Die Objekte können psychometrische Objekte oder symbolische Objekte genannt werden.“6 (Morris, R. 1986)

Spectre schlägt vor, dass der Schauraum eine solche Architektur ist und dass die Erinnerungen eines Gebäudes mit seiner Struktur durch die atomaren Bindekräfte, die wir nunmehr mit dem Rasterkraftmikroskop erschlossen haben, verbunden sind. Spectre baut auf die Kollision von A Mote it is… und Psychometrischer Architektur durch die Anknüpfung an die Experimente von Professor Gustav Adolf Schwaiger, dem ersten technischen Direktor des österreichischen Rundfunks und seiner Kollaboration mit dem bekannten Medium Rudi Schneider in den späten 30er und frühen 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. „G.A. Schwaiger… hat einige private (und eher obskure) Experimente mit dem bekannten Medium Rudi Schneider im Atelier einer befreundeten Malerin durchgeführt… Dieses Atelier könnte sich laut Überlieferung unmittelbar über dem Ausstellungsraum (Schauraum) befunden haben.“7 (Fiel, W. 2011)

Laut Mulacz’s Geschichte der Parapsychologie in Österreich, „konzentrierte sich Schwaigers Forschung auf die Untersuchung einer ‚Substanz‘ und ihren Effekten unter Verwendung neuester Verfahren wie z.B. Fernüberwachung durch ein TV Gerät.“8 (Mulacz, P. 2000) Diese ‚Substanz‘ ist das Ektoplasma, welches während der Experimente aus dem Mund Schneider´s erscheinen würde. Spectre erweitert diese Experimente durch die Übertragung von Live-Feeds aus dem Ausstellungsraum und die simultane Wiedergabe der physischen Überbleibsel dieser Happenings, die durch die atomaren Bindekräfte an den Staub ihres Labors gebunden bleiben.

Die spectres von Schwaiger und Schneider oder das Ektoplasma das sie beschworen, manifestieren sich in der Spectre Installation.

Referenzen:

1: Phillips, M. ‘A Mote it is…’ Art in the Age of Nano Technology, John Curtin Gallery, Curtin University of Technology, Perth, WA. For exhibition in 02/2010.http://www.i-dat.org/a-mote-it-is-update/

2: http://www.i-dat.org/i-dat-launches-op-sycom/

3. Shakespeare, W. Hamlet. Act 1, Scene 1, Line 129.

4. Transcalar Imaginary. “mundusimaginalis traversing the micro, meso, and macro...” Curated by David McConville. http://www.scoop.it/t/transcalar-imaginary/

5. www.i-dat.org/i-dat-launches-op-sycom/

6. Robert L. Morris (Koestler Chair of Parapsychology at the University of Edinburgh 1985 to 2004) in a letter to the artist 21 October 1986.

7. Email correspondence with Wolfgang Fiel. 2011.

8. Mulacz, P. History of Parapsychology in Austria. Notes for a History of Parapsychological Developments in Austria. Paper presented at The Parapsychological Association (PA) – the 43rd Annual Convention held from 17th to 20th of August, 2000 in Freiburg i. Br., Germany, hosted by the 'Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene' (IGPP). parapsychologie.info/history.htm

Mit Dank an:

Chris Saunders at i-DAT for the coding

Wolfgang Fiel for the Ghost hunting

Professor Genhua Pan at the Wolfson Nanotechnology Laboratory at Plymouth University for the AFM scan.

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